Beruf und Familie
Die Rollenerwartungen an Väter sind vielfältig: sie sollen starke Männer sein, den Kindern - insbesondere den Buben - eine reife Männlichkeit vorleben, gemeinsam mit der Mutter Erziehungsverantwortung übernehmen, mit der Frau eine lebendige und gleich-berechtigte Partnerschaft leben, sich im Haushalt engagieren und im Beruf ihren Mann stellen. Die Zeit der beruflichen Positionierung und höchsten Leistungsanforderung im Beruf fällt zeitlich häufig mit der intensivsten Familienphase zusammen. Gerade Männer zwischen 25 und 45 Jahren stehen unter großem Druck: Einerseits sollen sie ihre berufliche Karriere aufbauen, und andererseits wird ihre Präsenz in der Familie erwartet. Für viele kommt in dieser Zeit auch noch der Bau eines Eigenheims dazu. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist also nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer eine große Herausforderung.
Traditionsfalle
Viele Männer fühlen sich immer noch als Haupternährer der Familie und glauben, allein für die Existenzsicherung zuständig zu sein. Um die Existenz der Familie noch besser sichern zu können, streben sie nach höheren beruflichen Positionen oder leisten Überstunden.
Laut der aktuellen LSB-Familienstudie von W.E.Fthenakis u.a. (2002) steigt die durchschnittliche Arbeitszeit der Männer, wenn sie Väter werden, deutlich an. Die Erfahrung in der Männerberatung bestätigt, dass sich junge Väter in die Arbeit stürzen, um die traditionelle Versorgerrolle zu erfüllen, da sie sich für die finanzielle Absicherung der Familie verantwortlich fühlen. Die traditionelle Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau bringt mit sich, dass Männer mit dem Druck der Existenzsicherung überlastet sind, während Frauen sich oft mit der alleinigen Verantwortung für Kindererziehung und Haushalt überfordert fühlen - mit einem kleinen Unterschied: Frauen geben die Überlastung meistens zu. Männer sind hingegen Experten im Verdrängen ihrer existenziellen Ängste: der Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, vor beruflichem Versagen, vor neuen Technologien, vor jüngeren Konkurrenten und vor der Pensionierung.
Die meisten jungen Paare sind theoretisch für die Gleichstellung der Geschlechter. In der Praxis rutschen sie jedoch mit der Geburt des ersten Kindes fast automatisch in die traditionelle Geschlechterrollen-Aufteilung hinein, da es meist keine klaren verbindlichen Absprachen oder Lebensplanungen gibt. Die Procter & Gamble - Väterstudie (2001) zeigt, dass die Frauen mehrheitlich zwar eine gemeinsame Verantwortung der Eltern in der Kindererziehung optimal finden, dass sie sich aber zu 76 % als die Hauptzuständigen sehen, während sich die Väter in der Assistentenrolle erleben. Paare, die sich die Erwerbsarbeit, Hausarbeit und Kindererziehung aufteilen, sind in der Beziehung meist weniger belastet und gewinnen mehr Lebensqualität. Dies setzt aber voraus, dass die Männer sich vermehrt mit Teilzeitarbeit - bislang eine Frauendomäne - anfreunden.
Teilzeitarbeit und Väterkarenz
Männer denken bei Teilzeitarbeit sofort an eine halbe Stelle oder Jobsharing, aber auch eine 80 %-Stelle oder eine Dreißigstunden - Woche ist Teilzeitarbeit. Abgesehen vom schlechten Image der Teilzeitarbeit lassen sich viele Männer auch von den Gegenargumenten der Arbeitgeber beeindrucken. Untersuchungen belegen jedoch, dass TeilzeitarbeiterInnen anteilsmäßig mehr leisten und eine höhere Produktivität aufweisen, sodass der höhere Verwaltungsaufwand, mit dem oft argumentiert wird, wieder aufgehoben wird. Familienfreundliche Maßnahmen wie Teilzeitmodelle und flexible Arbeitszeit kommen nicht nur den ArbeitnehmerInnen zugute, sondern auch den Betrieben. Es kommt zu weniger Krankenständen, die Motivation der Mitarbeiter steigt, die Produktivität wird erhöht. Aus marktwirtschaftlicher Perspektive wäre zu beachten, dass auch Kernkompetenzen von Managern wie Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit, Konfliktmanagement, Einfühlungs- und Durchsetzungsvermögen, Entscheidungsfähigkeit und Umgang mit Stress in Familien mit Kindern erworben und geübt werden. Dies wird von fortschrittlichen Unternehmungsleitungen mit flachen Hierarchien und Mitarbeiterautonomie zunehmend gewürdigt und anerkannt. Sicher sind Teilzeitarbeit und flexible Arbeitszeiten in Großbetrieben leichter zu verwirklichen als in Klein- und Mittelbetrieben, wie sie in Österreich vorherrschen. Flexibilisierung der Arbeitszeit bleibt jedoch eine wesentliche Forderung an die Wirtschaft. Die Arbeitsbedingungen sind für Männer jedenfalls in der Regel deutlich familienfeindlicher als für Frauen.
Angesichts der schwierigen Situation auf dem Arbeitsmarkt und der angeblichen "betrieblichen Notwendigkeit", Überstunden zu leisten und "schlank" zu produzieren, haben viele Männer Angst, die Stelle zu verlieren, wenn sie die Arbeit reduzieren möchten. Man will also kein Risiko eingehen. Fast die Hälfte der Männer, die Teilzeit arbeiten, nehmen eingeschränkte Aufstiegschancen bzw. eine Verschlechterung der beruflichen Stellung wahr.
Ein großes Hindernis auf dem Weg zu mehr Teilzeitarbeit für Männer besteht auch in der Einkommensdifferenz zwischen Männern und Frauen. Viele Männer und auch Frauen sind der Meinung, dass die Existenz der Familie gefährdet wird, wenn der Mann, der wesentlich besser verdient, das Arbeitsstundenausmaß reduziert und die schlechter bezahlte Frau mehr Erwerbsarbeit leistet. Und so hält die Frau dem Mann oft den Rücken frei, damit er sich beruflich voll einsetzen kann und entsprechend viel Geld heimbringt.
In den skandinavischen Ländern, in denen die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen geringer sind, ist der Anteil von Frauen an den Erwerbstätigen europaweit am höchsten. Interessanterweise ist in diesen Staaten auch die Geburtenrate deutlich höher als in anderen Ländern mit einer niedrigen Frauenerwerbsquote wie zum Beispiel in Portugal, Spanien oder Italien.
Dass es für Männer abgesehen von existenziellen Gründen so schwierig ist, Arbeit zu reduzieren, könnte auch daran liegen, dass Arbeit süchtig machen kann, das heißt, zu einem inneren unbewussten Zwang werden kann. Für Männer spielt die Anerkennung und Selbstwertsteigerung durch Arbeit eine große Rolle. In unserer leistungsorientierten Gesellschaft ist nur anerkannt, wer viel leistet. Andererseits ist der Großteil der Männer laut Untersuchungen nicht zufrieden mit dem Beruf und würde gern in einem anderen Beruf tätig sein.
Teilzeitarbeit würde für Männer auch heißen, mehr Zeit für die Beziehung, für die Kinder, für Freunde und persönliche Interessen zu haben. Für den Gewinn an Lebensqualität spielt angesichts der Tatsache, dass immer weniger Menschen den Beruf ihrer Wahl ergreifen können, der Freizeitbereich eine immer größere Rolle. Doch viele Männer sind durch die Zwänge des traditionellen Männerbildes fremdbestimmt und können auch in der Freizeit nicht abschalten oder entspannen und setzen sich selbst unter Druck.
Derzeit nutzen nur etwa 3 % der Väter in Österreich die Möglichkeit, in Karenz zu gehen. Dies liegt nicht nur an der mangelnden Bereitschaft der Männer, sondern auch an den unattraktiven finanziellen Rahmenbedingungen. So ist für viele Familien die Väterkarenz nicht finanzierbar. In Schweden, wo ein Großteil des Gehalts als Karenzgeld gezahlt wird, ist auch die Rate der Männer, die Karenz in Anspruch nehmen, entsprechend hoch.
Beim Symposium "Erfolgreich im Beruf - erfolgreich als Vater" am 5. Juni 2003 in der Wirtschaftskammer Linz wurden wertvolle Impulse für die konkrete Umsetzung der Unterstützung von Väterkarenz, Teilzeit für Männer und Väterförderung in Unternehmen gegeben. Interessante bereits vorhandene Modelle und Best Practise - Beispiele wurden vorgestellt (Landesverlag Linz - Forum Mensch, Familie & Beruf, Wilhelminenspital der Stadt Wien, Arbeitsmarktservice Steyr, Autohaus Vorchdorf GmbH, Pro Mente Oberösterreich - Equality Management, "Die Umweltberatung" NÖ., F&Mpower Vorarlberg). Bei dieser Veranstaltung konnten viele UnternehmerInnen, MultiplikatorInnen aus den Bereichen Gemeindearbeit, Bildung und Soziales sowie interessierte Väter erreicht werden.
Arbeitslosigkeit
Da für viele Männer die Erwerbsarbeit sinn- und identitätsstiftend ist und oft den einzigen Lebensinhalt darstellt, ist für sie Arbeitslosigkeit besonders belastend. Erwerbsarbeit spielt eine wichtige Rolle für die männliche Identität. Beruf, Leistung und Einkommen dominieren im männlichen Selbstwertgefühl. Männer definieren sich vorwiegend über den Beruf. Arbeitslosigkeit bedeutet dann Verlust von Männlichkeit. Arbeitslos zu sein heißt, wertlos zu sein, nicht mehr gebraucht zu werden, nicht mehr anerkannt zu sein und soziale Kontakte, die mit der Berufstätigkeit verbunden waren, zu verlieren. Einkommensverluste sind auch mit Statusverlust verbunden. Besonders Langzeitarbeitslose haben zudem ein deutlich erhöhtes Risiko, körperlich oder psychisch zu erkranken.
Der Trendforscher Matthias Horx nimmt an, dass aufgrund des zunehmenden Bildungsgefälles zwischen den Geschlechtern in Zukunft vor allem Männer (mit niedrigem Bildungsniveau) von Arbeitslosigkeit und sozialem Abstieg betroffen sein werden.
Männerberatung
Männer bezeichnen in Umfragen immer wieder die Familie als das Wichtigste im Leben und sie sehen ihren Beitrag zur Familie im Geldverdienen und im Aushalten der Belastungen am Arbeitsplatz. Tatsächlich wird der Großteil des Familieneinkommens von Männern verdient. Die traditionelle Trennung der Geschlechterrolle in die "Männerwelt" Beruf und die "Frauenwelt" Familie hat aber nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer einen hohen Preis. "Erwerbs-Männer" (Döge) reiben sich im Konkurrenzkampf um Karriere, Anerkennung, Sicherheit und Geld auf. Sie nehmen lange Anfahrtswege, schlechte Arbeitsbedingungen, Überstunden und gesundheitliche Schäden in Kauf. Je mehr die Männer sich im Beruf auspowern und sich als unentbehrlich erleben, um so mehr verkümmern sie privat und erleben sich wie Fremde in der Familie. Sie leiden unter dem Vorwurf, dass sie den Kindern und Frauen zu wenig beistehen, und es geht ihnen absolut nicht gut, wenn sie merken, dass sie wenig von den Kindern mitbekommen und deren Alltag eigentlich nicht kennen.
Erst in Krisenzeiten, wie zum Beispiel bei Scheidung oder bei schwerer Krankheit wird manchen Männern bewusst, dass sie an den eigenen Bedürfnissen und Wünschen vorbei gelebt haben und dass sie die Familie aufs Spiel gesetzt haben. Sie beginnen nachzudenken, was ihnen im Leben wichtig ist. Sie wollen lebendig sein und sich weiterentwickeln.
Wenn diese Männer in die Männerberatung kommen, tauchen oft grundlegende Lebensfragen auf: Was ist mein Lebenskonzept? Was sind meine Prioritäten? Welchen Stellenwert haben Arbeit, Leistung und Erfolg in meinem Leben? Und welchen Stellenwert haben die Kinder und die Partnerin? Welche "Glaubenssätze" (zum Beispiel: "Ich muss es allen recht machen", "Ich darf nicht nein sagen") wirken als innere Antreiber? Was ist bisher in meinem Leben unerfüllt geblieben und was möchte ich noch verwirklichen? Wo liegen meine Fähigkeiten? Was erfüllt mich und gibt mir Kraft, und wo geht die Energie verloren? Was macht mein Leben wertvoll und lebenswert?
Wir brauchen ein neues Väter-Leitbild, das sich nicht am männlichen vollzeitberufstätigen Alleinverdiener orientiert, der als Held an der Arbeitsfront kämpft und seine Lebenskraft für die Familie opfert. Um eine neue Balance zwischen Familie und Beruf und eine gerechte Verteilung der Arbeit zwischen den Geschlechtern zu finden, ist eine partnerschaftliche Karriereplanung notwendig. Eine lebendige Partnerbeziehung und eine gute tragfähige Beziehung zu den Kindern kann überdies zu einer Art "Energie-Recycling" (H.Jellouschek) führen.
Wir brauchen aber auch eine Familienpolitik, die Männer unterstützt, die bereit sind, weniger zu arbeiten und sich mehr um Beziehungen zu kümmern. Dazu ist auch die Bereitschaft gefordert, neue Arbeitszeitmodelle zu forcieren und auch für Männer familienfreundlichere Arbeitsbedingungen zu schaffen.
Mit freundlicher Genehmigung der Männerberatung des Landes Oberösterreich
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