„Der Teppich der Navajos“
Aus "Das zündende Wort" von Richard Rohr.
Mit freundlicher Genehmigung des HERDER-Verlags
Die Navajos weben in jeden Teppich in einer Ecke einen Webfehler ein. Es ist höchst interessant, dass sie das als die Stelle betrachten, "wo der Geist in den Teppich hineingeht und aus ihm herausgeht". Das Muster ist vollkommen, aber immer gibt es eine Stelle, die ganz eindeutig wie ein Fehler aussieht. Das entspricht ganz genau der semitischen, der orientalischen Art, sich die Vollkommeheit vorzustellen - der übrigens Jesus ziemlich nahe gestanden hat.
Vollkommen sein heißt nicht unbedingt, jede Unvollkommenheit ausgemerzt zu haben. Wir mit unserem westlichen Denken in den Kategorien von Entweder-Oder und mit unserem Bedürfnis, alles voll im Griff zu haben, stellen uns das allerdings so vor. In Wirklichkeit besteht die Vollkommenheit darin, fähig zu sein, die Unvollkommenheit mit einzubeziehen! Wer wirklich leben will, kommt darum nicht herum: Entweder bezieht man die Unvollkommenheit in sein Leben mit ein - oder man leugnet sie. Sie ist die Stelle, an der der Geist entweder in unser Leben einzieht oder es verlässt.